Das bedeutende Zinnerz "Kassiterit"
Als Rohstoff für die Zinngewinnung ist Kassiterit weltweit unentbehrlich. Mit einem Zinn-Anteil von bis zu 78 % ist dieses Erz unschlagbar. Da allerdings Zinnatome auch durch Fremdatome wie Eisen, Titan, Tantal, Niob oder Zirconium ersetzt sein können, ist Kassiterit-Schlacke aus der Zinnverhüttung außerdem noch eine Möglichkeit zur Gewinnung von Tantal.
Nur selten schleift man attraktive Kristalle zu Schmucksteinen, die in Goldschmiede-Arbeiten und Juwelierware wiederzufinden sind. Die Verwendung als Heilstein hat ebenso noch keine größere Bedeutung erlangt.
Woher stammt der Name "Kassiterit"?
Seit dem Jahre 1832 existiert die heute übliche Bezeichnung für das schon lang bekannte Zinnerz. Funde beweisen, dass man bereits vor 8000 Jahren dieses Erz abgebaut hat. So gehört Kassiterit zu den ältesten Erzen, die von der Menschheit genutzt wurden. Bergmännische Namen und Synonyme gibt es daher so einige.
Synonyme für Zinnerz
Berg-, Katzen-, Nadel-, Seifen-, Holz-, Zwecken oder Stromzinn sowie Zinnstein, Zinnsand, Zinnspat, Zinnwäsche oder Zinnzwitter lassen über die Zusammensetzung und Nutzung dieses Erzes keinen Zweifel zu. So ist die Bezeichnung "Kassiterit", von "kassiteros" abgeleitet, auch nur die griechische Übersetzung für "Zinn".
Das Synonym "Visiergraupen" ist die bergmännische Bezeichnung für kurzprismatische, verwinkelte Kristall-Zwillinge oder -Viellinge des Kassiterits. "Holzzinn" ist radialfaserig aufgebaut und zeigt eine kugelige, nieren- oder traubenartige Form mit glatter, wie Glas glänzender Oberfläche (Glaskopf). "Seifenzinn" wiederum beschreibt den Fundort des körnigen Zinnerzes in sedimentären Lagerstätten, deren Anhäufung als "Seifen" bezeichnet werden. Weitere Synonyme sind Krötenauge, Zwitter, Zinngranat und Stannolith.
Zinnerz-Entstehung und Vorkommen
Kassiterit kann sich sowohl primär als auch tertiär bilden. Dabei entsteht in unterschiedlichen Prozessen der sogenannten "magmatischen Abfolge" zuerst "Bergzinn". Da Zinnerz sehr witterungsbeständig ist, findet man es aber auch als "Seifenzinn" in Seifenlagerstätten.
Primäre Bildung
Entsprechend der magmatischen Abfolge entsteht Kassiterit zuerst liquidmagmatisch in Granit-Gesteinen, Pegmatiten oder Rhyolith. Kassiterit-Granit findet man in Russland, Skandinavien und im böhmischen Erzgebirge. Kassiterit-Pegmatiten stammen beispielsweise aus dem Kongo oder aus Myanmar (Birma). Das Vorkommen im mexikanischen Bundesstaat Durango kann wiederum Kassiterit-Rhyolith vorweisen.
Dämpfe und Wasser
Bei einer pneumatolytischen Bildung kann sich durch aggressive Dämpfe mit hohem Mineral- und Säuregehalt auch Zinnerz in körnigen, quarzhaltigen Greisen bilden (z.B. im Erzgebirge), die bei der Umwandlung von granitischen Gesteinskörpern entstanden sind.
Die letzte Phase der magmatischen Abfolge ist hydrothermal, da diese Gesteine durch wässrige Lösungen mit hohem Säure- und Mineralgehalt entstanden sind. Da Flüssigkeiten in alle Risse, Spalten, Gänge und Hohlräume der vorhandenen Gesteine eindringen können, ist der Mineralreichtum dieser Phase ganz besonders groß. Die bekanntesten Heilsteine sind hydrothermal entstanden. Dazu gehören beispielsweise Achat, Amethyst, Bergkristall, Fluorit und Mondstein.
Kassiterit aus einer hydrothermalen Bildung stammt vor allem aus Frankreich (Bretagne), England (Cornwall), Bolivien, Japan und Südchina sowie aus dem sächsischen und böhmischen Erzgebirge.
Tertiäre Bildung
In einer "kontaktmetasomatischen" Entstehung, bildet sich Kassiterit hauptsächlich in Dolomit. Dabei wandelt sich bestehendes Gestein durch den Kontakt mit erneut aufsteigendem Magma in ein anderes um. Vorkommen dieser tertiären Bildung liegen in Australien, Tasmanien, Namibia und dem schon erwähnten europäischen Erzgebirge.
Seifenzinn als Flusssediment
Da Zinnerz eine Mohshärte von 6 bis 7 vorweisen kann, ist er ziemlich witterungsbeständig. Während durch verschiedene Umweltbedingungen (Kälte, Hitze, Druck, Wasser, Wind...) die umgebenden, weicheren Gesteine zerfallen, bleiben die härteren derben, dicht-körnigen Aggregate des Kassiterit bestehen. Abtragende und transportierende Kräfte (Erosion) wie Wasser, Wind, Temperatur und Schwerkraft lassen mit der Zeit in Flussniederungen und Mulden Seifenlagerstätten entstehen, in denen sich beispielsweise Zinnerz-Aggregate ansammeln.
Kassiterit-Merkmale und Verwechslungen
Im "Tetragonalen Kristallsystem" kristallisiert, bildet Kassiterit kurze, prismatische und stänglige Kristalle. Selten sind sie nadelig und dabei weiß, grau oder farblos (Nadelzinn). Recht häufig kommen Kristall-Zwillinge oder gar Kristall-Viellinge vor, die den bergmännischen Namen "Visiergraupen" tragen. Auch die Varietät "Holzzinn" (beispielsweise aus Durango / Mexiko) mit einer glaskopfartigen Oberfläche und derbe, dicht-körnige Aggregate sind keine Seltenheit.
Gemmologische Bestimmungsmerkmale
Um Minerale eindeutig bestimmen zu können, muss beispielsweise ihre Härte, Dichte, Spaltbarkeit und Transparenz geprüft werden. Kassiterit gehört mit einer Mohshärte von 6 bis 7 zu den härteren Mineralen. Seine Dichte ist mit 6,8 bis 7,1 ebenfalls sehr hoch. Nach einer unvollkommenen Spaltung zeigt er eine unebene, muschelige Bruchstelle mit Fettglanz.
Die Spannbreite seiner Transparenz reicht von durchsichtig bis undurchsichtig und lässt dementsprechend Aggregate mit Metall-, aber auch Kristalle mit Diamant-Glanz entstehen. Aufgrund verschiedener Verunreinigungen im jeweiligen Mineral, kann die Strichfarbe von weiß, grau bis hellbraun variieren.
Ähnliche Erscheinungsformen
Kassiterit kann optisch mit rötlichem Rutil, Hämatit, Zirkon, Rauchquarz, Sphen (Titanit) oder sogar mit Diamant verwechselt werden. Um Klarheit zu schaffen, muss man die jeweiligen gemmologischen Merkmale untersuchen.
Diamant ist dabei mit seine legendären Mohshärte von 10 am schnellsten erkannt. Die Dichte des Hämatits (5,2 bis 5,3), Zirkons (3,9 bis 4,7) und Rauchquarzes (um die 2,64) ist um einiges niederer. Sphen wiederum besitzt eine geringere Härte (5 bis 5,5) und Dichte (etwa 3,5), sowie eine vollkommene Spaltbarkeit. Außerdem zeigt Titanit bei dunkleren Farben auch deutlich sichtbaren, mehrfarbigen Pleochroismus. Kassiterit allerdings zeigt nur bei durchscheinenden Kristallen einen leichten Dichroismus in Gelb und rötlichem Braun.
Kassiterit in Paragenese
Das gemeinsame Vorkommen verschiedener Minerale an einem Bildungsort ist von lokalen physikalischen und chemischen Bedingungen abhängig. So findet man Kassiterit oft in Paragenese (Vergesellschaftung) mit anderen Mineralen wie Quarz, Muskovit, Topas, Turmalin und Fluorit, allerdings auch mit wertvolleren Erzmineralen wie Tantalit, Molybdänit oder Wolframit.
"Konfliktrohstoff" Kassiterit
Vor allem das Niob-Tantal-Erz "Coltan" und Wolframit machen Kassiterit allerdings in manchen Ländern (z.B. im 20jährigen Krisengebiet "Kongo") zu einem "Konfliktrohstoff", dessen monetären Gewinne für die Finanzierung politischer Konflikte und Kriege genutzt werden.
Bedeutende heutige Kassiterit-Vorkommen
Einst waren die Zinnerz-Lagerstätten im Erzgebirge, Fichtelgebirge und im englischen Cornwall weltweit sehr bedeutsam. Doch heute liegen die wichtigsten Vorkommen in Bolivien, Südchina, Malaysia, Indonesien und Peru. Weitere Abbaugebiete liegen in Algerien, Afghanistan, Brasilien, Mexiko, USA, Kanada, Japan, Russland, Australien und Tasmanien. Europa besitzt nennenswerte Abbaugebiete in Frankreich, Portugal, Großbritannien und Tschechien.
Gewinnung und Verwendung von Zinn
Die Verhüttung von Zinnerz geschieht bei circa 1000° Celsius, dabei entsteht das ungiftige und rostbeständige chemische Element "Zinn" (Sn - vom lateinischen "stannum" für "Zinn"). Das gewonnene, silbrig-weiß glänzende Schwermetall ist sehr weich und lässt sich leicht mit dem Fingernagel ritzen.
In der Elektronik
In einer Legierung mit beispielsweise Blei dient Zinn als "Weichlot" mit niederem Schmelzpunkt. Um elektronische Bauteile zu verbinden ist "Lötzinn" unentbehrlich.
Verzinnung
Aufgrund der oben erwähnten Eigenschaften eignet sich Zinn für Überzüge von Lagerungsbehältern aus Stahl (Weißblech) und zur Herstellung von Gefäßen, wie Vasen, Krügen, Becher und Tellern.
Außerdem findet man dieses chemische Element beispielsweise auch in Bronze-Legierungen und als Zusatzstoff in Chemikalien.
Hochzeit von Zinngefäßen
Zinngeschirr und Gerätschaften in Form von dekorativen Präsentiertellern, Bechern, Schalen und Kannen waren im 18. Jahrhundert im erstarkten Bürgertum sehr gefragt. Aber selbst bis Mitte des 20. Jahrhunderts zierten dekorative Teller, Becher, Krüge aus Zinn noch die Regale und Wände vieler Menschen. Als gefragtes Souvenirs brachte man sich schmückende, teils auch bemalte Zinngießereien von Reisen mit. Heute ist dieser damalige Trend eher ausgestorben... aber wer weiss, vielleicht wird er als "Retro-Trend" irgendwann wiederbelebt.
Eine legendäre Spielfigur
"Der standhafte Zinnsoldat" des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen ist ein Märchen aus dem Jahre 1838 und vermenschlicht das wohl bekannteste Spielzeug dieser Zeit. Dabei waren die kleinen, bemalten Miniatur-Fußsoldaten und -Reiter, oft aus einer Zinn-Blei-Legierung oder komplett aus Blei gegossen.